Antike Nazca Skulptur

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Peter Graßmann, Kunsthistoriker, Villingen-Schwenningen / XRAY-LAB

Für Privatsammler wie für Museen gleichermaßen ist die hohe Zahl an Fälschungen antiker Objekte eine große Herausforderung. Gefälscht wird, seit es einen Markt gibt: Bereits Michelangelo konnte die Herstellung eines als antik deklarierten Cupidos nachgewiesen werden. Seit dem 20. Jahrhundert haben sich die Zahl und Qualität von Falsifikationen jedoch erheblich erhöht, und mit dem aufkommenden Internethandel nahm das Problem in den letzten 30 Jahren nochmals eine neue Dimension an. Neben die klassischen Werkzeuge der Kunstgeschichte wie stilistisch-ikonographische Analysen tritt vermehrt auch der Einsatz naturwissenschaftlicher Methoden zur Fälschungserkennung. Im Folgenden soll ein Überblick über Möglichkeiten und Chancen für den Einsatz der industriellen Computertomographie in der Keramikforschung gegeben werden. Als praktisches Anwendungsbeispiel wurde ein Gefäß der peruanischen Nazca-Kultur untersucht.

Fälschungen und Überrestaurierungen

Einer Schätzung des Schweizer Kunsthändlers Christoph Leon zufolge sind bis zu 50% der auf dem Markt befindlichen Antiken gefälscht.[1] Obwohl diese Zahl nicht verifiziert werden kann, muss davon ausgegangen werden, dass der Anteil an falschen Stücken enorm ist und nicht nur sämtliche Bereiche des Kunsthandels betrifft, sondern auch museale Sammlungen. Das machen nicht zuletzt spektakuläre und weitpublizierte Fälle der Vergangenheit deutlich.[2] Zwar sind Komplettfälschungen am häufigsten, auch unter Keramiken, doch existiert daneben eine große Zahl weiterer problematischer Fälle, die sich zum Teil im Graubereich zwischen Original und Plagiat bewegen. Dies trifft vor allem auf Objekte mit umfangreichen Restaurierungen/Ergänzungen zu, denen nicht in allen Fällen eine Fälschungsabsicht zugrunde liegt, sondern die manchmal auch Produkt unsachgemäßer oder historischer (und damit oft „ergänzungsfreudigerer“) Restaurierungen sind.

Seit dem 18. und 19. Jahrhundert dienten antike Sammlungsstücke dazu, das Repräsentationsbedürfnis ihrer Besitzer zu befriedigen und deren Bildungsanspruch zu demonstrieren, weshalb die Gefäße möglichst vollständig und unbeschädigt sein mussten. Daran hat sich bis heute nichts grundlegend geändert. Dem standen und stehen oft die realen Erhaltungsbedingungen gegenüber, wobei nicht selten durch umfangreiche Restaurierungen „nachgeholfen“ wurde. In manchen Fällen ist es allein die moderne Füllmasse, die einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Originalfragmenten zusammenhält („Pastiche“ oder „Pasticcio“). Obwohl solche Fabrikationen vor allem unter chinesischen und westafrikanischen Antiken ein weitverbreitetes Phänomen sind, sind sie auch in Europa und Südamerika bekannt.[3] Der peruanische Fälscher Zenón Gallegos Ramirez wird etwa mit der Aussage zitiert, dass oft der größte Teil der von ihm „restaurierten“ Gefäße modern gewesen sei.[4]

Die Ergänzungen werden typischerweise aus Gips modelliert, der übermalt und lackiert wird. Gängige Authentifikationsmethoden können dann scheitern: Nach dem Brand aufgebrachte Bemalungen können eigentlich durch ein mit Lösungsmitteln (z.B. Aceton) getränktes Wattestäbchen entfernt werden, doch da der Lack oft gegenüber herkömmlichen Lösungsmitteln resistent ist, ist die Methode hier nicht aussagekräftig.[5] Auch das Ergebnis der eigentlich äußerst zuverlässigen Thermolumineszenzdatierung muss in diesem Fall hinterfragt werden.

Probleme der Thermolumineszenzdatierung

Bei der Thermolumineszenzdatierung wird die in den Quarzbestandteilen des Tons gespeicherte Energie aus natürlichen radioaktiven Zerfallsprozessen gemessen, die beim Erhitzen in Form von Lichtemissionen abgegeben wird. Da die Energie beim Brand „auf Null gesetzt“ wird und anschließend der Prozess der Exposition und Absorption von Neuem beginnt, können anhand der gemessenen Energiemenge unter Berücksichtigung von Umgebungsbedingungen Rückschlüsse auf das Alter der Probe gewonnen werden. Die Methode ist gut erforscht und sehr zuverlässig, da allerdings nur die Probe datiert wird und nicht das gesamte Objekt, besitzt sie wenig Aussagekraft in Hinblick auf Pastichen / Assemblagen aus disparaten Einzelfragmenten. Der Restaurator Mark Rasmussen weist auf weitere potenzielle Probleme hin, u.a. auf die in Einzelfällen dokumentierte Praxis, Objekte aus antikem Material (z.B. Ziegeln) zu skulptieren.[6] Das Labor Oxford Authentications hat interessante Fallbeispiele gesammelt, die deutlich machen, dass eine TL-Datierung im Einzel- und Verdachtsfall durch weitere Untersuchungen ergänzt werden sollte.[7] Dazu gehören beispielsweise chinesische Fälschungen, denen antike Fragmente an der Basis eingesetzt werden, wo typischerweise TL-Proben entnommen werden (da es sich hier oft um die einzige unglasierte Stelle handelt).

 

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